Raven gegen
Deutschland

Es gibt auch linke Künstler*innen, die sich auf der Bühne gegen Antisemitismus und den Hass auf Israel stellen. So zum Beispiel die Band »Egotronic«, die bei »Audiolith Records« 2006 ihr erstes Album »Die richtige Einstellung« und im darauf folgenden Jahr das bekanntere »Lustprinzip« veröffentlichten. Ihr Song »Raven gegen Deutschland« ist zu einer Art Hymne der israelsolidarischen Linken geworden. Stilistisch mischt die Band Punk mit Synthiepop und greift dabei auf Audio-Samples zurück, die an den Sound von frühen Videospielen erinnern. Wie sich die politische Haltung der Band in ihrer Kunst niederschlägt, beantwortet Torsun Burkhardt, Sänger von »Egotronic« im Interview.

Ein Bandfoto von »Egotronic«. Die vier Mitglieder sitzen zusammen auf einer Treppe.

Seriös, schwarz/weiß, auf einer Treppe. »Egotronic« einmal (noch) nicht im Getümmel. Zweiter von links: Torsun Burkhardt. Foto: egotronic

Torsun! Warum muss man gegen Deutschland raven?

Bei der derzeitigen politischen Lage bin ich ja der Meinung, dass gegen Deutschland zu raven viel zu wenig ist. Dementsprechend ist das aktuelle Album eine weit aggressivere Bestandsaufnahme und Kampfansage und Gründe gibt es wahrlich mehr als genug. Das aktuelle Album ist das mit Abstand wütendste und politischste »Egotronic«-Album bisher. Das ist natürlich auch der politischen Entwicklung der letzten Jahre geschuldet. Mir ist schlich nicht mehr danach, Songs übers Feiern zu schreiben.

Wie kam es zustande, dass ihr als Band eine dezidiert antisemitismuskritische und israelsolidarische Position entwickelt habt?

Ich hatte gegen 1999/2000 damit begonnen, alles zum Thema Shoah zu lesen, das ich irgendwie auftreiben konnte. Daraus folgte die Beschäftigung mit der Gründung Israels. Als ich 2001 »Egotronic« gründete, hatte ich schon eine Position zum Thema entwickelt, die Israelsolidarität.

Die israelsolidarische Position bestand also schon, bevor wir zum ersten Mal mit »Egotronic« eine Bühne betraten. Ich hab diese Position nur eben auch über die Band nach außen getragen.

Wie wirkt sich das auf eure Musik und die Interaktion mit dem Publikum aus?

Ich hatte z.B. einen Song zum Thema geschrieben und trug gerade anfänglich ab und an ein Shirt der israelischen Luftwaffe und einen Davidstern am Gürtel. Zudem fand man auf unserer Homepage Texte zum Thema, die ich gut fand und von denen ich dachte, dass sie die Leute, die uns mögen, vielleicht mal lesen sollten. Das führte natürlich zu Reaktionen im Publikum.

Das wiederum führte, wie zu erwarten, zu heftigen Anfeindungen, war doch damals der innerlinke Streit um die geforderte Israelsolidarität gerade auf dem Höhepunkt und wurde nicht selten auch körperlich ausgetragen. Es entstanden Diskussionen um uns, was zur Folge hatte, dass wir in manchen Läden nicht spielen durften und andere uns erstrecht buchten. Eine lustige Anekdote ist vielleicht folgende: Irgendwann wurden wir z.B. für eine Show nach Hanau gebucht und als der Termin stand, wurde uns mitgeteilt, dass dort viele Antiimps verkehren würden. Wir hatten dann zur Sicherheit auf der Bühne eine Tüte mit Knüppeln deponiert und noch zwei kräftige Genossen dabei, um uns im Eskalationsfall verteidigen zu können. Während des letzten Songs wollte ich es dann wissen und heftete mir einen großen blau-weißen Davidstern an, aber alles blieb ruhig. Die Antiimps waren nicht gekommen. Irgendwann wurde die Band größer, die Klubs andere und in weiteren Teilen der Linken war Israelsolidarität akzeptierter, heißt: Alles zusammen führte dazu, dass sich der Stress dazu im Bandkontext minimierte.

Auch wenn die Hamas ja bewusst die Strategie wählt, Zivilist*innen zum Kanonenfutter zu machen: Es sterben auch bei Einsätzen der IDF ja leider immer wieder Zivilisten. Was würdest du Leuten sagen, die das Tragen eines T-Shirts der israelischen Luftwaffe zynisch finden?

Das T-Shirt bekam ich damals geschenkt und es gefiel mir optisch wirklich gut, weshalb ich es relativ oft trug. Außerdem fand ich absolut okay, ein Shirt der Luftwaffe des Staates der Überlebenden der Shoah zu tragen und mir erschließt sich absolut nicht, was daran zynisch sein soll. Realistisch betrachtet gäbe es ohne die Luftwaffe der IDF Israel heute nicht mehr.

Ein Foto von einem Konzert der Band Egotronic

»Wir haben euch was mitgebracht: Bass, Bass, Bass!«. Konzerte der Band »Egotronic« sind oft ausverkauft. Foto: egotronic